Erklärung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe zur Triage-Diskussion in der Coronakrise

Wir bitten die Mitglieder des Deutschen Bundestages eindringlich, sich mit dem Thema
Triage-Richtlinien bei Covid-19 zu befassen und dabei den Rat der Expert*innen und auch
Vertreter*innen von sogenannten Risikogruppen mit einzubeziehen.
Die Corona-Pandemie breitet sich weiter weltweit aus. In Deutschland ist es dank eines soliden
Gesundheitssystems und umsichtiger Kontaktbeschränkungen bisher gelungen, alle Erkrankten
angemessen zu versorgen. Ob das auch in Zukunft so sein wird, ist trotz eines massiven
Ausbaus von intensivmedizinischen Kapazitäten unsicher.
Als Landschaftsverband Westfalen-Lippe werden wir den uns möglichen Beitrag
leisten, um eine Überforderung des Gesundheitssystems und damit verbundenes menschliches
Leid zu verhindern.
Gleichzeitig wird die Diskussion geführt, wie damit umzugehen wäre, wenn trotzdem nicht für
alle Patientinnen und Patienten ausreichende Behandlungsplätze zur Verfügung stehen
könnten.

In der gesundheitlichen Versorgung muss alles getan werden, um gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen und die Notwendigkeit einer Priorisierung medizinischer Leistung (Triage) zu vermeiden, indem genug intensivmedizinische Behandlungskapazitäten auch im ländlichen Raum aufgebaut werden. Weil dies möglicherweise nicht gelingt, regen wir eine politische Debatte über Triage-Richtlinien an, die sich an unseren Grundwerten des Grundgesetzes, dem Menschenrechtsbild der UN-Behindertenrechtkonvention und unserem Anspruch an eine inklusive Gesellschaft orientieren. Im Gegensatz zum Rettungsdienst und Katastrophenschutz gibt es für die beschriebene Krise in der Corona-Pandemie bisher lediglich Empfehlungen, die aber im Widerspruch mit unserer Verfassung stehen und deswegen eine erhebliche Kontroverse auslösen und einen politischen Diskurs erfordern.

So forderte das Deutsche Institut für Menschenrechte in Berlin schon Ende März, dass die
Menschenrechte das politische Handeln auch in der Corona-Krise leiten müssen. Auch die
Beauftragte der Landesregierung für Menschen mit Behinderung und für PatientInnen der
Landesregierung Nordrhein-Westfalens hat sich mit Bezug auf die UN-Behindertenrechtskonvention in diesem Sinne geäußert.
Das bedeutet konkret: Unsere Verfassung mit ihren Grundwerten der Menschenwürde, des
Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit, das Gleichheitsgebot und das
Diskriminierungsverbot sowie die staatliche Gewährleistung und Schutzpflicht gelten
uneingeschränkt auch in Zeiten der Corona-Pandemie.
Nach Überzeugung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe müssen die
Empfehlungen zur Triage diskriminierungsfrei und grundgesetzkonform ausgestaltet werden.

 

Deswegen lehnen wir zum Beispiel Benachteiligungen und den Ausschluss von
Personengruppen aufgrund ihres Alters oder der Behinderung ab. So wollen wir unbedingt
vermeiden, dass vulnerable Bevölkerungsgruppen weitere Diskriminierung nach der Corona-Pandemie erleiden. Wir treten entschieden dafür ein, dass Menschen mit Behinderung und
chronischen Erkrankungen den gleichen Anspruch ihrer Grundrechte erfahren, insbesondere
wollen wir ihr Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit sichergestellt wissen.
Wir bitten die Mitglieder des Deutschen Bundestages eindringlich, sich mit dem Thema Triage-
Richtlinien bei Covid-19 zu befassen und dabei den Rat der Expert*innen und auch
Vertreter*innen von sogenannten Risikogruppen miteinzubeziehen.
Die Bedrohung der Menschenrechte durch Triage-Entscheidungen erfordert nach Einschätzung
des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe eine intensive politische Diskussion, in deren Fokus unser Engagement um eine inklusive Gesellschaft, die Achtung der Würde eines jeden Menschen und die Solidarität mit den verletzlichen Mitgliedern unserer Gesellschaft stehen.

Einstimmig beschlossen vom LWL-Landschaftausschuss am 26.6.2020

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